EPOMM e-update March 2017
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Liebe Leserin, Lieber Leser,

Individuelles bzw. das eigene Verhalten zu verändern ist eine schwierige Aufgabe. Fragen sie Menschen, die sich als Neujahrsvorsatz vorgenommen haben, abzunehmen, mehr mit dem Rad zu fahren oder mit dem Rauchen aufzuhören. Um unser Mobilitätsverhalten nachhaltiger zu gestalten, sind unsere Bedarfsstrategien vielfach auf Bestrafung und Zwang ausgerichtet. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Menschen eher motiviert sind, ihr Verhalten zu ändern, wenn sie belohnt statt bestraft werden, weil dadurch positive Assoziationen mit einer bestimmten Verhaltensweise verknüpft werden. Am besten funktioniert meist eine Mischung aus Belohnung und Bestrafung, wie dies im e-update zu Push&Pull eindrucksvoll belegt wird. Jedoch existieren viele Beispiele alleine zu Belohnung. Darum und um einige zu Grunde liegende Mechanismen soll es in dieser Ausgabe gehen.

 

Motivationssteigernde Belohnungen



Um Verhalten ändern zu können, müssen drei Elemente zusammenwirken: Menschen müssen die Fähigkeit, die Möglichkeit und die Motivation zur Änderung haben (siehe NBS Bericht zu “Driving Social Change”).

Zur Motivationssteigerung eignen sich Belohnungen besonders gut. Hier kann zwischen von außen wirkenden und intrinsischen Belohnungen unterschieden werden. Letztere beinhalten auch Gefühle wie Spaß, Bewältigung („habe etwas geschafft“) und Selbstwertgefühl, die auftreten, wenn das zu erzielende Verhalten praktiziert wird. Materielle (Geld, Essen, Preise) oder virtuelle (Ranglisten, positives Feedback, Status) Belohnungen sind denkbar.

 

Belohnungen im finanziellen Sinn


Spitsmijden-Projekte in den Niederlanden

Der möglicherweise größte, noch laufende systematische Versuch, Belohnungen als Methode zur Änderung des Mobilitätsverhaltens zu analysieren, ist ein 2006 gestartetes Projekt zur Vermeidung der rush hour, genannt Spitsmijden-Projekte (“Verkehrsspitzen vermeiden”). Dabei werden ausgesuchten PendlerInnen zwischen €2 und €7 pro Tag angeboten, wenn sie nicht zu den Hauptverkehrszeiten unterwegs sind. Ein Forschungsbericht zeigt den großen Erfolg: so haben 20‐50% der Teilnehmenden entweder ihre Abfahrtszeit, Fahrtroute oder (seltener) das Verkehrsmittel geändert. Der Aspekt der Freiwilligkeit bewirkt weiters, dass diese Maßnahmen viel positiver aufgenommen wurden als „Zwangsmaßnahmen“ wie herkömmliche Road Pricing Schemata (negative Preissignale, selber Effekt). Dennoch kehrten die meisten Teilnehmenden nach Beendigung der Belohnungen zu ihrem alten Verhaltensmuster zurück. Dieser Effekt konnte auch in anderen Verkehssicherheitsbelohnungssytemen beobachtet werden.

Berühmt ist auch das Travel Smart Belohnungsprogramm in Singapur. Hier wird KundInnen Geld (zurück)bezahlt, wenn sie die ÖV-Nutzung zu Spitzenzeiten vermeiden. Es umfasst Gratiszugsfahrten ins Zentrum vor 7:45 und Gutpunkte für Zugsfahrten zu Schwachlastzeiten. Manche Firmen leisten auch ihren Beitrag, indem sie ihren MitarbeiterInnen flexiblere Arbeitszeiten, Telearbeit und Telekonferenzen ermöglichen, oder morgendliche Yoga- und Fitnesskurse in der Stadt (siehe e-update zu Neue Wege des Arbeitens).

Ein weniger direkter Weg der Belohnung von Verhaltensänderungen ist die Gewährung eines Steuervorteils für nachhaltige PendlerInnen. 2017 wird in Portugal der gesamte Mehrwertsteueranteil für ÖV- Fahrkarten (6%) vom Finanzamt als Anreiz ausbezahlt, wenn man den ÖV nutzt. So kann man sich einen Teil der Steuer zurückholen. Ein Zuschuss zu gefahrenen Radkilometern ist ein weiters Beispiel.

 

Belohnung - kleine Schritte der Verhaltensänderung feiern



Wären wir alle rationale, kalkulierende Wesen, wären wir leicht vom Radfahren, zu Fuß gehen oder Auto teilen zu überzeugen, wenn dafür eine substantielle und dauernde Belohnung winkt. Aber wir sind recht emotionsgetrieben unterwegs bzw. orientieren uns mehr nach praktischen als finanziellen Gesichtspunkten.

Idealerweise sollte unsere Entscheidung auch moralisch gesteuert sein, weil Autonutzung nun mal nachteilig für Umwelt und Soziales ist, gleichzeitig aber persönliche Vorteile bietet. Altruistische und umweltbezogene Überlegungen bilden eine stabilere Basis für nachhaltiges Mobilitätsverhalten als egoistische (siehe Mean or green: which values can promote stable pro-environmental behavior? ). Nur 33% der Spitsmijden-TeilnehmerInnen haben der Belohnung wegen teilgenommen, 43% wollten einen Beitrag zur Stauvermeidung leisten. (van der Knaap & Kraus, 2009, Link auf Niederländisch). Es gibt also Grenzen der (Langzeit)Wirkung von Belohnungen und sie sind mit Bedacht einzusetzen.

Tagtägliche Verhaltensroutinen basieren auf Gewohnheit, sind gesteuert vom Kontext und der Zeit (siehe auch diesen Artikel aus dem Vereinigten Königreich des National Social Marketing Centre). “Schlechte Gewohnheiten” aufzugeben kann schmerzhaft sein. Deshalb müssen wir uns selbst für jeden kleinen Schritt belohnen , speziell zu Beginn. Belohnungen, die den Wünschen und Motivationen von Personen entsprechen, können Gewohnheiten ändern und neue Verhaltensweisen festigen. Jedes Mal wenn wir eine Belohnung erhalten, wird das neue Muster gefestigt. Wenn man sich einmal gut fühlt, ist es auch leichter, sich das nächste Mal auch gut zu fühlen. Wenn wir Verhaltensänderungen mit Belohnungen feiern, wird Erreichtes anerkannt, wir motivieren uns selber zum Weitermachen und bauen Selbstwertgefühl auf. Erst dann kann die Veränderung beibehalten werden.

So gesehen hat Belohnung wenig mit einem ökonomischen Vorteil zu tun.

 

Geschenke versus Geld



Geschenke verschaffen meist tiefere Befriedigung und höhere Motivation als Geld. Werden wir jedoch gefragt, bevorzugen die meisten von uns Geld (siehe Preference reversals in evaluations of cash versus non-cash incentives).

Menschen scheinen großen monetären Belohnungen gegenüber empfänglicher zu sein als kleinen. (siehe Pay enough or don't pay at all). Werden allerdings mehr zusätzliche Belohnungen geboten, werden die Leute weniger sensibel. Der Mehrwert zusätzlicher Belohnung hängt von der ursprünglichen erhaltenden Belohnung ab. Also hat im Spitsmijden-Projekt die Extra-Belohnung für die vielfache Vermeidung der rush hour einen geringeren Effekt als jene für die Vermeidung einige Mal die Woche. (Ben-Elia & Ettema).

Die Verwendung von Belohnungen zur Veränderung menschlichen Verhaltens muss stets hinterfragt werden (Literaturrecherche etc.), um zu prüfen, ob die intrinsische Motivation für das gewünschte Verhalten nicht unterminiert wird. Eine Analyse eines Vierteljahrhunderts Forschung zu diesem Thema hat gezeigt, dass dieser schädliche Effekt vermieden werden kann, wenn es richtig gemacht wird. In seinem Artikel Motivation as a limit to pricing, schlägt Frey vor, dass die wichtigste Charakteristik für wie ein Konsument reagiert, nicht die absolute Höhe der Belohnung ist, sondern das Maß, in dem die Belohnung die intrinsische Motivation anspricht. Wird eine Belohnung als konträr der eigenen Motivation gesehen, schwächt sie die intrinsische Motivation.

 

Belohnung mittels Technologie


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Viele Apps und Online-Werkzeuge wurden entwickelt, um nachhaltige Mobilität mittels Belohnungen zu fördern. Das können Preise oder Ermäßigungen sein oder virtuelle Belohnungen im Sinne der Gamification. Gamification ist ein nützliches Werkzeug, das Verhaltensänderungen begünstigt und in sich selbst belohnend macht. Gamification funktioniert aus einem simplen Grund: sie kann eine einfache, tägliche, langweilige Routine zu einem freudvollen und spannenden Unterfangen machen, indem virtueller Ansporn geboten wird, z. B. Wettbewerbe mit anderen, Status und das Gefühl, etwas erreicht zu haben.

Einige Beispiele für Gamification und Belohnungs-Apps sind:

  • Waze, die größte gemeinschaftsbasierte Mobilitäts- und Navigations-App;
  • Das Chromaroma Projekt, ein Mobilitätsspiel im Rahmen der Londoner Oyster-Karte (ÖV-Dauerkarte);
  • Mobi, ein System, das Angestellte zur Änderung der Verkehrsmittelwahl in Richtung mehr Nachhaltigkeit motiviert;
  • Tripzoom, eine App zur Verbesserung der persönlichen Mobilität und zum Teilen von Informationen;
  • CO2 Fit, eine App, welche die CO2 –Emissionen der persönlichen Mobilität misst und geringe Emissionen belohnt;
  • die im Gemeinschaftseigentum stehende, 2016 in Israel vorgestellte App La’Zooz. Diese führt eine neue virtuelle Währung namens Zooz ein: werden Carpooling-Passagiere mitgenommen, erhält man x Einheiten dieser Währung und kann damit selber wieder Carpooling Fahrten bezahlen;
  • Weitere Beispiele sind Bounts, Better Points und CleanSpace im Vereinigten Königreich, GreenApes in Florenz/IT oder Biko in Kolumbien.
 

Fazit



Finanzielle Belohnungen können ein mächtiges Werkzeug sein, um kurzfristige Verhaltensänderungen zu bewirken. Aber Belohnungen, die jeden kleinen Schritt im Verhaltensänderungsprozess belohnen, tragen viel eher zu einer permanenten Änderung des Verhaltens bei. Diese Belohnungen müssen für die Wünsche der betroffenen Personen relevant sein und deren Selbstwertgefühl und intrinsische Motivation stärken. Während also starke und (finanziell) attraktive Incentives Menschen den nötigen “Extra-Kick” geben, in einem Programm zur Verhaltensänderung teilzunehmen, zahlt es sich aus, in virtuelle Belohnungschemata zu investieren, die Menschen ihre eigenen kleinen Erfolge feiern lässt auf dem Weg zum erwünschten Verhalten.

Auf dem Weg zur Verhaltensänderung gibt es viele Hindernisse – so haben Menschen sehr unterschiedliche Bedürfnisse, die sich noch dazu über die Zeit ändern, zusammen mit ihren Reizschwellen und Einstellungen. Was also für eine Gruppe zu einer Bestimmten Zeit gut funktioniert, muss noch lange nicht für eine andere Gruppe in einem anderen Umfeld oder zu einem anderen Zeitpunkt passen. Doch gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten und es ist nachgewiesen, dass Belohnungen in Kombination mit Abschreckungen oder Fehlanreizen und Zwang wirksamer und leichter einzuführen sind.

 

Bevorstehende Veranstaltungen

Für weitere Veranstaltungen besuchen Sie bitte den EPOMM Kalender.

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