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Liebe Leserin, lieber Leser,

deutsche, irische und italienische Einwanderer, die im 19. Jahrhundert nach Amerika kamen, waren oft mit Vorurteilen und Misstrauen konfrontiert. Viele mussten Sprachbarrieren überwinden. Andere wiederum erkannten, dass sie den Problemen, vor denen sie in ihrer Heimat geflohen waren, wie Armut oder religiöse Verfolgung auch in diesem Land ausgesetzt waren.

Und auch heute stehen Immigranten in vielen Teilen der Welt oft vor Herausforderungen, die sie bei ihrer Ankunft nicht erwartet hatten: Schwierigkeiten beim Sprechen und Erlernen der Sprache, bei der Erziehung und der Schullaufbahn ihrer Kinder, bei der Sicherung von Arbeit und Wohnraum sowie beim Zugang zu Dienstleistungen sind weit verbreitet.

Und genau wie Sprachbarrieren ist das Verständnis darüber, wie die Mobilität des jeweiligen Landes funktioniert, für Zuwanderer ein Thema, das nahezu jeden Aspekt ihres Lebens betrifft. Stellen Sie sich vor, Sie haben nie gelernt, eine Straße sicher zu überqueren, Fahrrad zu fahren oder Verkehrszeichen zu lesen. Infolgedessen ist es schwierig, zusätzliche Verpflichtungen wie Sprachkurse oder medizinische Termine wahrzunehmen. Aus diesen Gründen kann Mobilitätsmanagement, und insbesondere Mobilitätserziehung, ein Treiber für eine erfolgreiche soziale Eingliederung von Einwanderern sein.

 

Das Konzept von Mobilität und Einwanderung in der Forschung


Quelle: freepik.com

Bei Mobilität geht es nicht nur darum, von A nach B zu gelangen. Sie gibt den Menschen auch die Möglichkeit, aktiv zu sein und so am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Mobilität von Zuwanderern im Alltag spielt in der Forschung und in den Prozessen von Immigration und Integration nur eine untergeordnete Rolle. Dazu kommt, dass nur sehr wenige Mobilitäts- und Verkehrsstudien den Migrationshintergrund der Verkehrsteilnehmer berücksichtigt haben.

Ein Grund dafür könnte sein, dass die Mobilität von Menschen mit Migrationshintergrund ein komplexes Thema ist. Die Schwierigkeiten beginnen mit den Konzepten von Mobilität und Einwanderung, da der Begriff „Mobilität“ im Bereich der Integrationsforschung auch für die internationale Migration verwendet wird.

Die Konzepte von Migration und Mobilität werden also in beiden Forschungsbereichen angewendet, befassen sich jedoch mit demselben Thema, nämlich der Wahl des Wohnorts.

 

Die Wahl des Wohnorts


Quelle: freepik.com

Bisher ist wenig darüber bekannt, ob sich die Mobilität von Zuwanderern im Alltag vom Verkehrsverhalten anderer Menschen ohne Migrationshintergrund unterscheidet, oder welche Mobilitätsbedürfnisse überhaupt bestehen.

Es ist jedoch nachweisbar, dass die Organisation der täglichen Mobilität stark vom jeweiligen Wohnort und der lokalen Infrastruktur abhängt. Die Wohnlage bietet oder beschränkt den Zugang zu Aktivitäten des Alltags und deren Vielfalt und ist Ausgangspunkt für die Mobilität im Alltag.

Der Sechste Familienbericht des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weist auf einen deutlich höheren Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Kernstädten und dicht bebauten ländlichen Gebieten in Ballungsräumen hin, von denen die meisten über eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur verfügen.

 

Mobilität und ihre sozioökonomischen Auswirkungen auf Migranten und ethnische Minderheiten


Quelle: freepik.com

Es gibt zahlreiche Hindernisse, die für einige Benutzergruppen besonders relevant sind. So können schlechte Verkehrs- und Mobilitätsdienste die bereits bestehenden Nachteile verschärfen und das Risiko sozialer Ausgrenzung erhöhen. Sozial benachteiligte Gruppen haben jedoch unterschiedliche Mobilitätsverhaltensweisen und -bedürfnisse und sehen sich mit unterschiedlichen Transporthürden konfrontiert.

Wie das 2011 gestartete EU-Projekt „Together on the Move“ feststellte, wurden bisher in Europa nur wenige Untersuchungen zum Verkehrsverhalten von Migranten und deren Einstellung zu verschiedenen Verkehrsmitteln durchgeführt.

Daten und Informationen sind begrenzt, insbesondere in ost- und südeuropäischen Ländern. Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Untersuchungen zeigen jedoch die folgenden Merkmale des Verkehrsverhaltens von Immigranten: i) Zuwanderer besitzen aufgrund ihrer ungünstigen wirtschaftlichen Situation mit geringerer Wahrscheinlichkeit ein Auto als Einheimische (Autokauf und Führerschein sind teuer); ii) der Zugang zum Auto ist für Immigrantinnen geringer als für Immigranten, mit einem noch größeren Abstand zu Einheimischen; iii) Einwanderer sind daher eher zu Fuß unterwegs und nutzen öffentliche Verkehrsmittel öfter als Einheimische; iv) Radfahren scheint bei der einheimischen Bevölkerung populärer zu sein als bei Einwanderern, vor allem im Vergleich zu Einwanderinnen.

 

Besserer Service für ethnische Gemeinschaften im Großraum Manchester


Quelle: tfgm.com

Im Großraum Manchester werden 54 Sprachen gesprochen. Eine Befragung von ethnischen Minderheiten zeigte, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, Informationen über öffentliche Verkehrsmittel zu erhalten. Transport for Greater Manchester (TfGM) hat daher die „Language Line“ eingeführt (siehe auch PTEG Good Practice Guide).

Obwohl TfGM-Umfragen ergaben, dass Menschen im Allgemeinen lieber telefonisch auf Informationen zugreifen, zeigten Erhebungen bei verschiedenen ethnischen Gruppen wiederum, dass diese den persönlichen Kontakt bevorzugen und sich daher stark auf das Personal in den Kundenzentren verlassen würden. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, machte es sich TfGM zum Ziel, persönliche Beratungen in der entsprechenden Sprache anzubieten. So wurde initiiert, dass alle Frontmitarbeiter direkten Zugang zum Language-Line-Dienst haben, der Dolmetscher in über 120 Sprachen über Telefon zur Verfügung stellt.

 

Ein lebensverändernder Augenblick


Quelle: eltis.org

Im Rahmen des SEGMENT-Projekts hat sich die Stadt München entschlossen, auf die besonderen Bedürfnisse neuer Migranten einzugehen, die dann einen „lebensverändernden Augenblick“ erleben, wenn sie den Aufenthalt beantragen und einen Kurs absolvieren müssen.

Migranten in München müssen Deutsch lernen, wenn sie dauerhaft bleiben wollen. Die verfügbaren Unterrichtsmaterialien im offiziellen Integrationskurs decken viele alltagstaugliche Themen ab, einschließlich der Mobilität. Die Mobilitätsinformationen werden jedoch auf allgemeiner Ebene abgehandelt und sind nicht spezifisch auf einzelne Städte ausgerichtet.

Ziel dieses Projekts war es, München-spezifisches Material zu allen Themen der täglichen Mobilität zu entwickeln, um ausländische Neuankömmlinge zu fördern und sie zu einem nachhaltigen Verkehrsverhalten als wichtigen Schritt zur Teilhabe am täglichen und sozialen Leben in ihrer neuen Heimatstadt zu befähigen.

 

Radfahrtraining als Teil einer Integrationsstrategie


Quelle: eltis.org

Bei einem Treffen der Swedish Transport Administration (schwedische Verkehrsverwaltung) und der Gemeinde Linköping erklärte einer der Teilnehmer, ein Vertreter der städtischen Einwanderungsbehörde, dass er mit vielen Frauen mit Migrationshintergrund in Kontakt stehe, die nicht Rad fahren könnten. Da diese Frauen häufig auch keinen Führerschein hätten, beschränke sich ihr Aktionsradius auf den Bereich im und um das Haus mit der Konsequenz von vermehrter Isolation.

Infolge des Treffens initiierten die Gemeinde Linköping und die Swedish Transport Administration ein Radfahrtraining für Migrantinnen. Der Kurs begann mit der Vermittlung von theoretischen Kenntnissen und wurde mit praktischen Übungen fortgesetzt. Diese Maßnahme ermöglichte eine bessere Integration der Teilnehmerinnen in die schwedische Gesellschaft. Außerdem hatte der Radweg einen „Welleneffekt“, denn die Gemeinde startete daraufhin mehrere Kurse im Rahmen der normalen Integrationsstrategie.

Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Fähigkeit zum Radfahren oft als selbstverständlich vorausgesetzt wird, aber dass ohne diese Fähigkeit das Leben viel schwieriger sein kann. Dies ist ein konkretes Beispiel dafür, wie Radfahren zu einer besseren Umwelt beitragen kann und auch zu einem vielfältigeren Alltagsleben.

 

Fahrradfreunde


Quelle: eltis.org

Fietsvriendinnen oder Fahrradfreundinnen ist ein Trainingsprojekt (nur auf Niederländisch) der Integrationsabteilung der Stadt Leuven, bei dem belgische Frauen Migrantinnen helfen, das Radfahren zu lernen. In dem Projekt werden Paare aus jeweils einer teilnehmenden Migrantin und einer einheimischen Helferin zusammengesetzt, sodass diese gemeinsam für einen Zeitraum von fünf Monaten Radtouren unternehmen können.

Ziel war es, die Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein von Migrantinnen beim Radfahren zu stärken, ihnen die positiven Auswirkungen des Verkehrsmittels auf ihr persönliches Leben zu veranschaulichen und sie dabei zu unterstützen, sich besser in die belgische Gesellschaft zu integrieren.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen. Während die Frauenorganisationen KVLV und Mobiel 21 einheimische Frauen zur Teilnahme motivierten, informierte die Integrationsabteilung Migrantinnen über das Projekt. Die Helferinnen selbst erlebten den Prozess der Vermittlung von „Verkehrskompetenzen“ an Migrantinnen als eine sehr lohnende Erfahrung.

 

MobiCascais und ECOMM 2020

 

In einem ehrgeizigen Ansatz zum Klimaschutz mit dem Ziel, Verhaltensänderungen im lokalen und regionalen Mobilitätsverhalten zu erreichen, führte MobiCascais (nur auf Portugiesisch) Mobilitätspakete (Mobility as a Service – MaaS) in Form von extrem günstigen ÖV-Dauerkarten (20 €), Ermäßigungen für Personen über 65 und Gratisfahren für Kinder unter 14 Jahren in Cascais (Portugal) ein. Diese Pakete berechtigen zur Benützung von elf in der Gemeinde betriebenen Buslinien. Vor Ort hatte Cascais diese Pässe bereits in die der Stadtverwaltung integriert, in denen die Services für Fahrräder, Elektroauto-Sharing und Parken auf der Straße inkludiert sind.

Die Dienste werden ergänzt durch intelligente Ticketsysteme, Apps und eine Backoffice-Plattform. Auf diese Weise werden Schritt für Schritt ein umfassendes Bewusstsein für Barrierefreiheit sowie eine physische und digitale Implementierung entwickelt und ausgebaut. Die Strategie der Gemeinde basiert dabei auf einem menschenorientierten Ansatz: „für Menschen mit Menschen“.

Zuvor wurden diese Bemühungen unter Berücksichtigung der Aalborg Commitments und der Agenda Cascais 21 ausgearbeitet; und sie stehen im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN-Agenda 2030. Nehmen Sie an der ECOMM 2020 teil, die vom 3. bis 4. Juni 2020 in Cascais stattfindet, und lernen Sie mehr über den ehrgeizigen Ansatz in Portugals pulsierender Stadt am Meer.

 

Fazit: Barrierefreiheit ist der Schlüssel


Quelle: freepik.com

Die Bedeutung des Verkehrs für die soziale Eingliederung von gesellschaftlich am stärksten gefährdeten Benutzergruppen ist unumstritten. Berücksichtigung ihrer spezifischen Mobilitätsbedürfnisse in der Verkehrsplanung ist daher zwingend notwendig.

Mobilität ist ein soziales und wirtschaftliches Bedürfnis. Die mangelnde Verfügbarkeit und das nicht ausreichende Angebot von Verkehrsmitteln können die Mobilität vieler Stadtbewohner heute vor große Herausforderungen stellen. Solche Barrieren verstärken soziale und räumliche Ungleichheiten in städtischen Gebieten, einschließlich der Diskriminierung schutzbedürftiger und benachteiligter Gruppen. Diese Hürden sind nicht nur steuerlicher oder technischer Natur, sondern beruhen auf politischen, sozialen und institutionellen Faktoren, die den Fortschritt hin zu sozial nachhaltigen städtischen Mobilitätssystemen verhindern.

Der umfassende Zugang zu unterschiedlichen Verkehrsmitteln ist daher der wichtigste Aspekt von Mobilität, da er die Voraussetzungen für Transportmöglichkeiten schafft. Eine verbesserte Verkehrsanbindung kann zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung beitragen, indem Hindernisse beseitigt werden, die sich aus der Zugänglichkeit, Verfügbarkeit, Akzeptanz und Erschwinglichkeit des städtischen Mobilitätssystems ergeben. Und Mobilitätsmanagement ist ein hervorragendes Instrument, um dieses Ziel zu erreichen.

 

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