EPOMM e-update December 2016
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Big Data benötigt große Server - Foto von Christoph Scholz CC BY-SA 2.0


National Monitoring Week in Flandern – Copyright: Fietsberaad Vlaandere


Heatmap von Radwegen während derEuropean Cycling Challenge 2015 in Danzig, Polen


Die RouteCoach App zeigt, dass die gesamte Bevölkerung von Leuven, Belgien mit dem Fahrrad schneller zur Haltestelle kommt, als mit dem Auto


Die RouteCouch App erlaubt Nutzenden, zusätzliche Kontextinformationen hinzuzufügen


Über die Uber App wird ein Taxi gerufen. Foto von Mark Warner CC BY 2.0


Der Verlauf von Google Maps schürt Bedenken über Datenschutz in der Bevölkerung


Foto von cilipmarketing (cropped) CC BY-NC-SA 2.0


Kreative Zusammenarbeit auf einem Hackathon - Foto vonSebastiaan ter Burg CC BY 2.0

Liebe Leserinnen und Leser,

„Big Data is like teenage sex: everyone talks about it, nobody really knows how to do it, and everyone thinks everyone else is doing it, so everyone claims they are doing it…“ (Dan Ariely). Für viele von uns ist Big Data nur ein Schlagwort ohne eine praktische Bedeutung. In diesem e-Update untersuchen wir die Bedeutung des Worts und die damit verbundenen Konzepte des Internet of Things, Crowdsourcing und Open Data. Die wichtigste Frage für Planer des Mobilitätsmanagements aber ist, wie Big Data einen Verhaltenswandel fördert und Verkehrskonzepte beeinflusst.

 
Diese und weitere Themen werden auf der ECOMM 2017 diskutiert. Die Einsendefrist für Submissions ist der 16.12.!
 

Was ist Big Data?

 

Es gibt keine allgemeingültige Definition für Big Data. Im Allgemeinen geht es dabei um Erheben und Speichern einer großen Menge an Daten in Echtzeit in vielen verschiedenen Formaten und von vielen verschiedenen Quellen (wie z.B. Kameras, Sensoren, Fahrzeuge, Telefone, soziale Netzwerke etc.). Big Data sind so groß und komplex, dass es nicht mit herkömmlichen Systemen und Prozessen effektiv analysiert werden kann.

Nicht nur die Menge und die Geschwindigkeit von Datenströmen nehmen zu, sondern mit dem Aufkommen des Internet of Things auch die Verbindungen zwischen Maschinen (und zwischen Menschen und Maschinen). So kann z.B. das eigene Auto mit dem persönlichen Kalender verknüpft werden und die beste Streckenführung zum nächsten Meeting berechnen. Falls man in einen Stau gerät, kann automatisch eine Benachrichtigung an die Arbeitskollegen oder die Meetingpartner herausgesendet werden, dass man sich verspätet.

Mit Big Data entwickeln sich Städte zu Smart Cities. Im Bereich der Mobilität und des Verkehrs bedeutet das:

  • verbessertes Verkehrs- und Staumanagement durch die Kombination von vielen verschiedenen Quellen von Verkehrs- und Mobilitätsdaten
  • Verbesserung des Nachfragemanagements, z.B. durch die Anpassung von Parkgebühren an die aktuelle Nachfrage
  • Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Verlagerung von Gütertransporten von der Straße oder durch Kommunikation von Gefahrenstellen zwischen den Fahrzeugen (s. z.B. das Projekt NordicWay).

Alle genannten Anwendungen können Verkehr nachhaltiger gestalten und verlagern. In diesem e-Update beschäftigen wir uns jedoch mit der Frage, was wir von Big Data über das Verhalten von Menschen lernen können, wie uns dieses Wissen zur Verbesserung von Verkehrskonzepten hilft und wie Big Data genutzt wird, um Verhalten über Mobilitätsmanagement zu verändern.

Big Data als Basis zur Erstellung von evidenzbasierten Konzepten

Daten über das Mobilitätsverhalten helfen uns zu verstehen, wann, wohin und wie Menschen reisen. Dies spielt eine wichtige Rolle beim Trend-Monitoring von Verkehr, in der Verkehrsplanung und bei politischen Entscheidungsprozessen. Das traditionelle Erheben von Daten zum Mobilitätsverhalten beinhaltet zeitintensive und mühevolle Prozesse wie Umfragen und Reisetagebücher. Jedoch erlauben heutzutage GPS-basierte Ortungsdienste, wie sie auch in Smartphones benutzt werden, eine große Menge an sehr detaillierten Daten ohne großen Aufwand kostengünstig zu erheben. Hier ein Beispiel: Da früher wenig objektive und quantifizierte Informationen über das Verhalten von Radfahrern vorhanden waren, initiierte der Niederländische Fahrradbund (Fietsersbond) im Jahr 2015 eine Nationale Monitoringwoche, an der über 50.000 Personen teilnahmen und Informationen zu ihrem Radfahrverhalten austauschten. Diese Daten helfen niederländischen Städten, Konzepte zu entwerfen und Initiativen zu starten, die das Fahrradfahren im Land weiter verbessern wird. Die belgische Region Flandern folgte mit ihrer eigenen Nationalen Monitoringwoche diesem Beispiel.

Ein anderes großartiges Beispiel ist die European Cycling Challenge (ESS). Es ist heute eines der größten europäischen Fahrradevents, das aus der Idee der Stadt Bologna als kleiner Pilot mit rund 70 Personen entstammt. Im Jahr 2016 nahmen 52 Städte aus 17 Ländern mit 46.000 Personen teil, die innerhalb eines Monats zusammen 4 Millionen Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt haben. Der Gamification-Ansatz gibt den Radtouren einen Spaßfaktor: Teilnehmende zeichnen ihre Routen über eine kostenfreie App auf. Sie sammeln so für die Gesamtkilometeranzahl ihres Teams und können in Echtzeit in einer Bestenliste die Platzierung ihrer Stadt sehen. Darüber hinaus haben die erhobenen GPS-Daten einen unschätzbaren Wert für Stadtplanende. Sie liefern sofort nutzbare Heatmaps und erlauben tiefergehende Analysen zu Start- und Zielorten, Zeitverlust an Kreuzungen, Geschwindigkeiten auf Radwegen usw. Verkehrsplanende erhalten ein ganzes Set an Kenndaten, die Rückschlüsse über die tatsächlichen Bedürfnisse von Fahrradfahrern erlauben.

Wie werden die Daten genutzt, um ein Verhaltenswechsel zu fördern?

Die European Cycling Challenge zeigt zudem, dass sich Datenerhebung sehr gut mit einer Bewusstseinsförderung kombinieren lässt. Das EU-geförderte Projekt TRACE hat das Potential von Ortungsdiensten zur Förderung von Fuß- und Radverkehr in Städten untersucht. Sie entwickeln jetzt Ortungsdienste, um Fuß- und Radverkehrskampagnen erfolgreicher zu machen.

Manchmal hat allein schon die Visualisierung von Ortungsdaten einen beträchtlichen Einfluss auf die Bewusstseinssteigerung. Als Beispiel kann man sich die M-app Kampagne im belgischen Haasrode anschauen, wo die Daten klar zeigten, dass Radfahren für 90 Prozent der Arbeitnehmenden zu Zeiten der Rush-Hour schneller ist als Autofahren.

Auf Grundlage von erhobenen Daten können Anwendungen auch Vorschläge unterbreiten, die auf ein verändertes Verkehrsverhalten abzielen. RouteCoach ist eine solche Anwendung, die Routeninformationen und Informationen aus den Einstellungen der Teilnehmenden nutzte (erhoben über einen SEGMENT-Fragebogen), um personalisierte Verkehrsvorschläge für die Teilnehmenden anzubieten.

Crowdsourcing

Eine der wesentlichen Herausforderungen zur Nutzung von Big Data ist es, einen Weg zu finden, um die unstrukturierte Menge an Informationen zu ordnen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen im Anschluss daran helfen, evidenzbasierte Entscheidungsprozesse untermauen. Der nächste Schritt ist es, automatisch generierte Daten mit von Menschen generierten Daten zu verknüpfen (über Crowdsourcing), um den größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu erreichen. In anderen Worten: Big Data wird zu Smart Data.

Smartphones von Bürgern können nicht nur zur Erhebung von Verkehrsinformationen, sondern auch zur Messung von Lärm oder anderen Umwelteinflüssen genutzt werden. Darüber hinaus kann man auch oder Einstellungen und Beurteilungen von Menschen erforschen, z.B. wie sicher sie sich an Haltestellen fühlen. Die App von RouteCouch erlaubt den Nutzenden, Gefühle während einer Fahrt auszuwählen und festzuhalten. Manche Routen können sehr stressig sein, werden aber aufgrund von mangelnden Alternativen stark frequentiert. Solche Informationen werden nicht in den automatisch erhobenen Daten festgehalten.

Projekte, die Bürger zur Datenerhebung motivieren, werden auch Citizens´ Observatories genannt. In Flandern wird über das Flamenco Projekt eine Plattform entwickelt, die Bürger erlaubt, sog. Bürgererhebungskampagnen zu erstellen oder an diesen zu partizipieren. Viele weitere inspirierende Beispiele finden sich in einem CIVITAS webinar von Andrew Nash.

Big Business

So ziemlich jeder von uns erhebt Daten, oft jedoch ohne es zu wissen. Zuerst werden diese Daten durch Unternehmen genutzt, um ihr Serviceangebot zu verbessern und für die Nutzenden dadurch „relevanter“ werden. Wenn man z.B. Google Maps verwendet oder an einem Android Smartphone die Standortübertragung eingeschaltet hat, werden Daten zu Google gesendet, die wiederum zur Darstellung der Verkehrssituation auf den Straßen in der Google Maps App beitragen. Neben der Verbesserung ihrer vielen Services generiert Google aus persönlichen Daten auch Einnahmen aus Werbung für Produkte und Dienstleistungen, die auf die Aktivitäten und Interessen der Nutzenden zugeschnitten ist (s. Googles Konzept zur Datenverarbeitung).

Während Google betont, keine persönlichen Daten zu verkaufen, erheben Unternehmen von Navigationsdiensten, wie TOMTOM und INRIX unglaubliche Mengen an Daten (jede Minute Millionen von Datensets zu Geschwindigkeit, Standort und Fahrtrichtung von Autos). Damit werden zum einen Echtzeitinformationen zum Verkehrsgeschehen angeboten, zum anderen werden diese Daten verarbeitet und an Kommunen zur Optimierung ihres Verkehrssystems verkauft sowie auch Analyseprogramme wie den Congestion Index entwickelt.

Ein weiteres Beispiel ist das Verkehrsnetzwerk Uber. Im Prinzip ist es ein Taxiunternehmen ohne eigene Fahrzeugflotte. Über ihre App erheben sie Fahrtdaten aus allen Fahrten sowohl von Kunden als auch Fahrern und kontrollieren sowohl die Preisegestaltung als auch alle Zahlungen. Sie können in der App tolle Erfahrungen für Nutzende bieten und sind in über 500 Städten aktiv. Sie können konstant ihr Angebot verbessern und auf lokale Gegebenheiten reagieren, sei es der gesetzliche Rahmen oder sogar das Wetter. Dieser datenspezifische Ansatz generiert ein sogenanntes „Algorithmus-Management“, wie es Alex Rosenblatt der Universität von New York nennt. Dies führt zur z.B. zur automatischen Ahndungen von Fahrern und deren Sperrung in der App, wenn sie zu viele Fahrtanfragen ablehnen, (s. den Artikel im Guardian).

Übersteigt der Anteil an privat erhobenen mobilitätsbezogenen Daten die der öffentlich erhobenen, kann dies zukünftig zu einer weitgehenden Auslagerung des Verkehrsmanagements an diejenigen führen, die die Daten tatsächlich auch besitzen, wie aus dem Bericht Data-Driven Transport Policy der OECD ersichtlich wird.

Big Data – viele Möglichkeiten – viele Fragen

Es verwundert nicht, dass Bedenken zur Sicherheit von privaten Daten in den Medien geäußert werden, wie z.B. über Uber, Android Apps, iPhone und Google. Im Januar 2012 schlug die Europäische Kommission eine umfassende Reform zu Regeln der Datensicherheit vor, die EU-Mitgliedsstaaten in ihre nationalen Gesetze bis zum 6. Mai 2018 übertragen müssen. Diese Reform soll Bürgern erlauben, die Kontrolle über ihre persönlichen Daten zurückzugewinnen und gleichzeitig die Regularien für den Geschäftsbereich zu vereinfachen. Die Datenschutzreform ist ein entscheidender Wegbereiter Digital Single Market. Damit möchte die Kommission erreichen, dass die Gesellschaft maximalen Nutzen aus der digitalen Wirtschaft ziehen kann.

Währenddessen verfolgt auch der private Sektor die Idee, dass Personen die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten. Das ist das Schlüsselprinzip hinter dem MyData-Ansatz für das persönliche Datenmanagement.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, von den reinen Daten zu tatsächlichem Erkenntnisgewinn zu gelangen. Städte investieren große Summen in die Datenerhebung, können diese Datenmengen aber häufig nicht ausreichend analysieren, weil es noch an einer modernen Arbeitsweise in der Datenverarbeitung mangelt. Zudem enthalten standortbezogenen Daten immer eine gewisse Verzerrung, da diese nur von denjenigen generiert werden, die auch Zugang zu den entsprechenden Technologien haben. Einige nützliche Informationen zu diesem Thema können in dem Bericht des International Transport Forum Big Data and Transport, Understanding and assessing options.

Deine Daten – Meine Daten – Open Data

Open Data sind Datensets, die für jeden frei zugänglich sind und unter geringen Auflagen weiterverwendet werden können. Für Städte sind sie zum einen wertvolle Quellen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und zum anderen wird die Transparenz gestärkt und die Lücke zwischen kommunaler Politik und Bürgern geschlossen. Es wurden dazu zahlreiche europäische, nationale und lokale Projekte in den letzten Jahren fertiggestellt. Die besten Beispiele sind auf dem European Data Portal im Analytical Report 4: Open Data in Cities bewertet worden: Amsterdam, Barcelona, Berlin, Kopenhagen, London, Paris, Stockholm und Wien. Das Thema Verkehr wird zu einem absoluten Schwerpunkt im Datensektor. Die Erarbeitung einer Stadtentwicklungstrategie ist nicht üblich, eine Ausnahme bildet hierbei London, das ihre eigene Datenstrategie für London entwickelte. Freie Datensets von öffentlichen Körperschaften in ganz Europa werden in Portalen wie dem European Data Portal und PublicData.eu gesammelt.

Es werden jedes Jahr diverse Events von Städten organisiert, um das Bewusstsein von Open Data zu steigern. Hackathons sind beispielsweise Veranstaltungen, bei denen Softwareentwickler und Experten gemeinsam intensiv neue Software entwickeln, z.B. Apps, die schon vorhandene freie zugängliche Datensets benutzen. Manchmal geben auch Unternehmen ihre privaten Datensets für die Events frei. Dies ist oft auf ein im Vorfeld bestimmtes Thema fokussiert, z.B. Kultur oder Verkehr. Die Universität von Tel Aviv organisierte solch ein Urban Transportation Hackathon in 2014. Ein weiteres Beispiel ist HackTrain 3.0 - ein Event, das 120 Entwickler an einem Wochenende zusammenbringt, um die besten Apps für die Eisenbahnindustrie zu präsentieren.

Für weitere Informationen zu Open Data sind folgende Links hilfreich:

Zusammenfassung

Big Data hält viele Vorteile bereit, jedoch brauchen Städte eine Strategie, wie sie nicht in dem riesigen Informationsfluss versinken. Der Schlüssel ist, die richtigen Fragen zu stellen: was müssen wir wissen und welche Daten müssen erhoben werden, um unsere Fragen zu beantworten? Traditionelle Datenerhebungen sind weiterhin nötig. Big Data kann uns sagen, wohin, wie und wann Menschen sich bewegen, aber nicht, wieso sie es tun – und nicht alle Formen und Wege werden durch Big Data abgedeckt. Aber eins kann mit Sicherheit gesagt werden: die Relevanz von Monitoring, Datenanalyse und Evaluation hat durch Big Data nicht abgenommen. Im Gegenteil.

 

Bevorstehende Events

Für weitere Events besuche den EPOMM Kalender.

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