Liebe Leserin, Lieber Leser, Wie wäre es mit einem Konzept, dass unser Mobilitätsverhalten verbessert und gleichzeitig die Effizienz des Transportnetzwerkes? Eine Dienstleistung, die jenen, die es nutzen, Kosten erspart, die Auslastung unterschiedlicher Verkehrsmittel erhöht und Staus im urbanen Raum verringert? Mobilität als Dienstleistung = Mobility as a Service (MaaS) ist ein solches Konzept. Es kombiniert öffentliche und private Verkehrsangebote mittels einheitlichem Zugangsportal. Der gesamte Weg wird über dieses Portal bzw. eine Anwendung gebucht, durchgeführt und abgerechnet, auch wenn unterschiedliche Anbieter und Verkehrsmittel gewählt werden. In diesem e-update werfen wir in Licht auf dieses Konzept und seine Rolle für Mobilitätsmanagement, übrigens auch eines der Hauptthemen der vergangenen 2017 ECOMM in Maastricht. |
Mobility as a Service: Ein neues Mobilitätsmodell (?) |
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Laut Definition der European Mobility as a Service Alliance ist das Schlüsselkonzept hinter MaaS “die/den Nutzende/n, Menschen oder Güter, ins Zentrum zu stellen und auf die individuellen Bedürfnisse maßgeschneiderte Mobilitätslösungen anzubieten. Das bedeutet, dass erstmals ein einfacher Zugang zum passendsten Verkehrsmittel oder -service inkludiert ist in einem Bündel flexibler Mobilitätsangebote für den Endkonsumenten”. MaaS ist nicht auf individuelle Mobilität beschränkt, zumal der Ansatz auch im Güterverkehr greift, speziell in urbanen Gebieten. Eine Vielzahl innovativer neuer Mobilitätsservices wie Fahrradverleihsysteme/Bikesharing, Carpooling oder Carsharing treibt diesen Wechsel voran. Weiterer Impetus kommt von der Verbesserung der Integration verschiedenster Verkehrsmodi in nahtlose Wegeketten durch integrierte Buchungs- und Bezahlfunktionen für alle Teile einer Wegekette. | |
Nutzen und Risken von MaaS |
Der Verkehrssektor befindet sich gerade in einer Periode signifikanter Änderungen mit neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen, welche die Erwartungen und Möglichkeiten der Menschen fundamental verändern. Und der Markt für intelligente Mobilität entwickelt sich rasch. Nutzerinnen, Verkehrsbetreiber, Unternehmen und Verwaltungen (die öffentliche Hand) verstehen das Potential von Mobilitätsmöglichkeiten als Teil eines größeren, integrierten Systems. - NutzerInnen: Hochentwickelte, personalisierte und intelligente Mobilitätsdienstleistungen reflektieren die sehr spezifischen Anforderungen seitens der NutzerInnen, ermöglichen nahtlose Wegeketten, die gut funktionieren und ermöglichen einfachen Zugang zu Mobilität, hohe Nutzerorientierung, Services hoher Qualität, die wettbewerbsfähig bepreist sind (siehe auch Balancing the mix - An innovative Mobility Alliance in the region of Aachen for citizens and visitors, Reyhaneh Farrokhikhiavi auf der ECOMM 2017).
- Öffentliche Hand: Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verbessern die Wirksamkeit des gesamten Verkehrssystems. Ressourcen werden effizienter genutzt und zugeordnet (basierend auf den Anforderungen der Nutzenden), neue Jobs und Berufsbilder geschaffen, das Management von Verkehrsunfällen verbessert sowie ein verlässlicheres Verkehrssystem durch Echtzeit- und „Vorausdaten“ geschaffen (siehe auch Insights from the ongoing MaaS evolution in Sweden, Maria Coulianos auf der ECOMM 2017).
- Unternehmen: MaaS ist ein profitabler Markt für neue Mobilitätsdienstleistungen, innovative Servicekonzepte und Kooperationen im traditionellen Mobilitäts- und Infrastrukturgeschäft. (siehe auch Kamargianni, M., und M. Matyas 2017. The Business Ecosystem of Mobility as a Service. 96th Transportation Research Board (TRB) Annual Meeting, Washington DC, 8-12 Jänner 2017).
Wie im Diskussionspapier „Mobility as a service: Implications for urban and regional transport“ (Polis Traffic Efficiency & Mobility Working Group, September 2017) dargelegt, kann MaaS auch zu Ungleichheiten und Benachteiligungen führen: Einerseits, weil negative Anreize für nachhaltige Mobilität geschaffen werden. Der Erfolg von MaaS in manchen Marktfeldern (z. B. private Fahrtendienste und Apps dazu) hat das Potenzial, existierende Mobilitätsangebote (den ÖV) zu schwächen und könnte auch zum Wechsel vom Umweltverbund aufs Auto führen. Die Dominanz individueller Modi und die schlechte Sichtbarkeit des ÖV in der aktuellen Diskussion zu MaaS geben Anlass zur Sorge. Andererseits wegen höherer Kosten für NutzerInnen oder Verkehrsdienstleister wegen „ungleicher“ Services. Im Falle kommerzieller Megaservices wird der Betreiber Geld sehen wollen im Sinne einer langfristigen Wirtschaftlichkeit. Wer diese Kosten letztendlich trägt, muss noch definiert werden: NutzerIn, Verkehrsbetreiber (oder die öffentliche Hand)? Und Drittens wegen einer Ausgrenzung bestimmter Nutzergruppen. Die zunehmende Digitalisierung von Mobilitätsservices könnte zu einer weiteren Exklusion jener führen, die nicht so technologieaffin sind (sogenannte „digitale Kluft“). | |
Die Bündelung von Dienstleistungen zum leichteren Zugang zu Mobilität sichert die beste Nutzung aller Transportmodi |
Das Verkehrssystem als ganzes und jene, die daran teilhaben, rücken näher zusammen, da sich der Fokus verschiebt vom reinen Verkehrsanbieter hin zum umfassenden Dienstleister (wo und wann ist Bedarf und wie kann dieser effektiv befriedigt werden. In der Veröffentlichung Journeys of the Future - Introducing Mobility as a Service, führt die Atkins Gruppe einige Schlüsseltrends an, die diesen Denkwechsel verfestigen: - Integration und Angleichung: Viele unterschiedliche Transportformen sind heute integraler Bestandteil von Mobilitätsnetzwerken. Gehen und Rad fahren sind Schlüsselteile des ganzen Systems andere Modi weiten sich aus bzw. verwischen die Grenzen althergebrachter Systeme (z.B. Taxi und neuer Fahrtendienste wie Uber, Lyft und Bridj).
- NutzerInnenerfahrung: Transport definiert sich neu als “Mobilität” und rückt eher die „NutzerInnen“ ins Zentrum als „Produkte für die NutzerInnen“. Das stellt einen maßgeblichen Wechsel dar bezüglich der Zunahme von Informationen und der Möglichkeit, diese zu teilen. Neue Geschäftsmodelle werden ermöglicht dank neuer Technologien sowie der steigenden Bereitschaft der Bevölkerung, neue Dinge auszuprobieren.
- Zugang schaffen/Nutzen statt Besitzen: Zugang zur Mobilität zu gewährleisten anstatt Transportmittel zu besitzen verändert die Mobilitätslandschaft. Weiters werden Gemeinwirtschaft und technologische Entwicklungen den Menschen ermöglichen, selektiver zu sein und diesen Trend zu verstärken.
Die Nutzung unterschiedlicher Technologien: Der neue Ansatz, den/die NutzerIn ins Zentrum zu setzen, liegt dieser Veränderung zugrunde. Die Menschen sehen Mobilität als Netzwerk und erkennen die ganze Palette an nahtlosen Resiemöglichkeiten, die vorhanden sind. Die Technologie ermöglicht Planungswerkzeuge für die tägliche Wege wie Moovit, also Apps und Lösungen, die es den Menschen erleichtern, ihren Weg im gesamten Transportnetzwerk zu finden. | |
Eine Chance für die grundlegende Veränderung des Mobilitätsverhaltens in Städten und darüber hinaus |
„Die Generation Y sieht nicht mehr so sehr das eigene Auto als Statussymbol, sondern Technologien und hippe Geräte.”, sagt Mimi Steller. Ein neuer Lebensstil mit weniger gefahrenen Autokilometern greift Raum in dieser Generation, die Autofahren gegen Gehen und Radfahren eintauscht und faszinierter vom neuesten Smartphone oder E-Carsharing-Angebot ist als vom ersten eigenen Auto. Darum ist es wichtig, uns selbst zu ermahnen, dass Menschen im Herzen von Transport und Mobilität stehen und ein Transport- bzw. Mobilitätssystem den sich ändernden Lebensstilen gerecht werden muss. Mit MaaS ist die/der Nutzerin nicht mehr nur Konsument im Mobilitätssystem. Stattdessen wird das gesamte System mit und von den Menschen mitgeneriert. | | Bild: Telematics News
Nachfrageorientierte nahtlose Wegeketten erfahrbar machen |
Um moderne Routen- bzw. Reise – oder Wegeplanung Wirklichkeit werden zu lassen, muss Europas Transportsystem nutzerInnenfreundlicher, digital und intelligenter werden. Kohärente Konzepte müssen analysiert und entwickelt werden, die alle relevanten Elemente, Systeme und Dienstleistungen umfassen. Viele erwarten sich in der Mobilität einen Paradigmenwechsel durch MaaS, in dem die Mobilitätsdienstleister Reisenden einfache, flexible, verlässliche, leistbare und umweltfreundliche tägliche Mobilitätsmöglichkeiten bieten. Das beste Beispiel ist Finnland, wo das MaaS-Konzept bereit eine tragende Rolle in der nationalen Verkehrspolitik spielt. MaaS Finnland startete den Betrieb als unabhängiges Unternehmen mit Fokus auf den internationalen Markt, mit der Absicht als Schaltstelle zwischen Betreibern, NutzerInnen und Dritten zu wirken. 2016 hat die Stadt Hannover den “Mobility Shop” gestartet, das erste operationale Beispiel für MaaS. Herzstück ist ein integrierter Prozess, der Registrierung, Routenplanung, Buchung und Abrechnung für mehrere Transportmodi (ÖV, Taxi, Carsharing) umfasst. Das EU-Horizon 2020 Project IMOVE (www.imove-project.eu) basiert auf der Erforschung, Entwicklung und Validierung von neuen bottom-up Lösungen, um nachhaltige MaaS-Geschäftsmodelle zu definieren. Ein weiteres Horizon 2020 Projekt, MaaS4EU (www.maas4eu.eu), will für das MaaS-Konzept quantifizierbare Belege erbringen, Rahmenbedingungen und Werkzeuge definieren, um Barrieren abzubauen und einen einheitlichen kooperativen und vernetzten EU–Mobilitätsmarkt zu ermöglichen. Dazu werden Aufgaben auf vier Ebenen bearbeitet: (i) Unternehmen, (ii) EndverbraucherIn/NutzerIn, (iii) Technologie und (iv) Maßnahmen, Strategien und Politik. | | CIVITAS ECCENTRIC - MaaS Readiness Level Indicators for local authorities (2017)
Indikatoren für MaaS Bereitschaftsstufen für lokale Verwaltungen |
Viele europäische Städte suchen derzeit nach Wegen, wie sie den Aufbau neuer, multimodaler Transportsysteme in ihrem Hoheitsgebiet unterstützen können. Dabei ist die Herausforderung, hochperformative Dienstleistungspakete aus dem bestehenden System zu schaffen, die das Mobilitätsverhalten hin zum Umweltverbund und weg vom privaten Pkw verändern helfen. Im September 2017 hat das CIVITAS ECCENTRIC Projekt die MaaS Readiness Level Indicators for local authorities veröffentlicht, die einen sektorübergreifenden Einblick geben, wie gut aufgestellt eine lokale Verwaltung ist für den erwarteten Wechsel des Mobilitätsverhaltens und -angebots durch MaaS und welche Entscheidungen bereits gefallen sind, die neue Mobilitätsdienstleistungen unterstützen. Die CIVITAS ECCENTRIC Projektpartnerstädte Madrid, München, Ruse, Stockholm und Turku haben mehrere kritische Elemente definiert, die für das “Erblühen” einer neuen Mobilitätskultur wichtig sind. Es ist entscheidend, dass lokale Verwaltungen voneinander lernen und alle relevanten Aspekte des Ist-Zustands bedacht werden, bevor das Umfeld für Mobility as a Service bereit ist. | |
Schlussfolgerung |
Die Gesellschaft bewegt sich auf Zeiten zu, wo alles als „Dienstleistung“, als „Service“ definiert wird. Die Bedürfnisse der Menschen werden immer fordernder und fragmentierter, während die Ressourcen zur Schaffung von Transportsystemen zurückgehen. Neue Technologien ermöglichen es allen, die unterwegs sind, eine dynamischere, proaktivere Rolle als „Mitentwickler“ des und Datengenerierer im Transportsystem einznehme.. In ihrem Weißbuch - Guidelines & Recommendations to create the foundations for a thriving MaaS Ecosystem, konstatiert die MaaS Alliance, dass grundlegendes Prinzip und Hauptmotivation hinter der Entwicklung und dem Einsatz von MaaS ist, den/die NutzerIn in den Mittelpunkt zu stellen, in einem marktzentrierten Angebot im gesellschaftlichem Kontext. MaaS ist drauf und dran, das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis zu werden, sowohl für private Nutzerinnen als auch für Unternehmen. Es hilft, die Mobilitätsansprüche zu befriedigen, die umständlichen Teile von Wegeketten gut bewältigen zu können und gleichzeitig das gesamte Transportsystem zu verbessern. | |
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Veranstaltungen im Jänner & Februar 2018 |
| Weitere Veranstaltungen siehe: EPOMM Kalender. | |